Passivhaus, Effizienzhaus 40 Plus

Bauweise: Holzrahmenbau mit ökologischen Baustoffen
Planer/Architekt: DI Anita Bechter, Herz & Lang GmbH

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Baubeginn: 2016, Eröffnung: 2017 Bauherr/Bauträger: Dieter Herz, Raphael Vibert Nutzung: Zweifamilienhaus mit Carport, kalter Keller Energiestandard: Passivhaus, zertifiziert • Altersgerechtes Wohnen im EG. Junges Wohnen im OG. • Aktives Monitoring der Energieverbräuche und -­flüße (Wärme+Strom); Strom-­Eigenverbrauch > 30%, -­Autarkie >80%. Alle Energieverbräuche deutlich unter dem Niveau der Passivhausberechnung. • Stromflatrate 19,99 Euro/Monat • Plus-­Energie-­Gebäude, 100% regenerativ versorgt • Teilnahme am Tag des Passivhaus 2017 und 2018.

Das maßgeschneiderte Passivhaus

Dieter Herz und Raphaël Vibert sind Passivhausexperten und haben sich zusammen ihr eigenes Traumhaus gebaut. Ihr Beispiel zeigt, es muss nicht immer ein Einfamilienhaus sein. Und: Energieeffizientes und nachhaltiges Bauen ist bezahlbar und bietet am Ende höchsten Wohnkomfort!

Dieter Herz muss zugeben, dass das schon etwas paradox ist. Vor 20  Jahren hat er begonnen, Passivhäuser zu planen – Gebäude, die mit minimalem Energieverbrauch auskommen und gleichzeitig höchsten Wohnkomfort bieten, wie ihm seine Auftraggeber nach dem Einzug immer wieder bestätigt hatten. Der Ingenieur aus dem Weitnauer Tal, der mit einem Partner Florian Lang heute Chef des Planungsbüros Herz & Lang ist und 15 Mitarbeiter beschäftigt, gilt als Passivhaus-Pionier und hat sich auf diesem Gebiet weit über das Allgäu hinaus einen Namen gemacht. Er selbst wohnte aber bis vor einem Jahr zur Miete in einem Gebäude Baujahr 1961, ohne Dach- und Fassadendämmung, ohne Komfortlüftungsanlage – von wegen Wohlfühlklima.

Seit vergangenem Herbst weiß der 62-Jährige nun endlich aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, in einem „Haus der Zukunft“ zu leben. Zusammen mit seinem Mitarbeiter Raphael Vibert erfüllte sich Dieter Herz den Traum vom eigenen Passivhaus. Herz hat mit seiner Frau die Erdgeschoss-Wohnung des 248 Quadratmeter großen Vorzeigeobjekts bezogen, Raphaël Vibert mit seiner Partnerin die Wohnung darüber. „Es fühlt sich einfach phantastisch an“, beschreibt Dieter Herz sein „neues Leben“ als Passivhaus-Bewohner.

 

Er sitzt am großen Esstisch, vor ihm eine Tasse Tee, die Sonne scheint durch die großen, dreifachverglasten Fenster und sorgt für angenehme Temperaturen, obwohl es draußen schon empfindlich abgekühlt hat. „Die Heizung ist aus“, stellt der stolze Hausbesitzer klar. „Und trotzdem ist es in  allen Räumen angenehm warm.“ Die 32 Zentimeter Wärmedämmung, die von einer eleganten Holzschindelfassade kaschiert wird, sorgt dafür, dass die Wandoberflächen raumseitig immer warm sind. „Das schafft große Behaglichkeit“, erklärt Dieter Herz. Kalte Oberflächen erzeugen Luftströmungen, die als unangenehm empfunden werden, auch wenn die Raumtemperatur eigentlich im Wohlfühlbereich liegt. „Die Komfortlüftungsanlage ist ebenfalls ein Segen, vor allem nachts“, schwärmt Herz. Sie tauscht kontinuierlich die Luft aus, geräuschlos und ohne Zugerscheinung. Herz: „Ich schlafe im neuen Haus einfach viel besser.“  Zudem gebe es weniger Staub sowie keine Mücken und Fliegen im Haus.

Gut schlafen kann Dieter Herz aber auch deshalb, weil er weiß, dass er durch das gemeinschaftliche Bauen nicht an seine finanziellen Grenzen gegangen ist – trotz des hohen Energiestandards des Gebäudes und des Einsatzes ökologischer Baustoffe. Ein Einfamilienhaus hätten sich weder er noch Vibert leisten können, sagt Herz. „Die Baupreise sind in den vergangenen Jahren durch die Decke geschossen“, lautet einer der Gründe dafür. Das Einfamilienhaus sei daher zu „einem echten Risikofaktor“ für viele Familien geworden. Der Fachmann empfiehlt, auch über andere Formen des Erwerbs von Wohneigentum nachzudenken. „Es muss nicht immer das Einfamilienhaus sein. Leistbares, nachhaltiges Wohnen für junge Familien auf dem Land erfordert neue, dörfliche Strukturen mit Zwei- und Mehrfamilienhäusern.“ Richtig ärgern kann sich Dieter Herz über Planer und Bauunternehmen, die Bauherren mit anfangs niederen Preisen ködern. Während der Bauphase gebe es dann das böse Erwachen. Die Maxime seines Planungsbüros, zu dessen Kunden Großinvestoren, die in Wohnanlagen mit mehreren hundert Einheiten denken, genauso wie private Häuslebauer gehören, sei es, immer realistische Zahlen auf den Tisch zu legen. Es kommt schon mal vor, dass er oder einer seiner Mitarbeiter potenziellen Bauherren vom Hausbau abraten müssen, weil die Finanzierung auf wackeligen Beinen steht. Eine gute Planung, mit konsequenter Qualitätssicherung sowie eine seriöse Kostenrechnung und -kontrolle, so die Erfahrung von Dieter Herz, sind Voraussetzung für das Gelingen eines Projekts. „Es braucht einfach ein stimmiges Konzept – was die Gebäudeplanung, aber auch die Finanzierung angeht.“ Erst dann könne man über die Nutzung der vielfältigen Förderungen für bessere Standards nachdenken.

Leistbar, werthaltig, komfortabel, aber natürlich auch nachhaltig sollte sein eigenes Haus sein, erklärt Dieter Herz. Zusätzlich zur hochwärmegedämmten und luftdichten Gebäudehülle in Holzbauweise entschieden sich er und Raphaël Vibert deshalb für die 100-prozentige Nutzung regenerativer Energien. Im Einzelnen war das der Anschluss an die örtliche Biomasse-Nahwärme und  die Installation einer großen Photovoltaikanlage auf dem Dach. Zusammen mit dem Batteriespeicher im Keller ermöglicht die Anlage mit einer Leistung von 8,4 kWp  einen Autarkiegrad von über 75 Prozent. Damit aber nicht genug: Ein kleiner Teil des Solarstroms Marke Eigenproduktion, der nicht selbst genutzt werden kann, landet in der Cloud der Sonnen GmbH, der Rest wird ins öffentliche Stromnetz eingespeist. Der Batteriespeicher-Hersteller aus Wildpoldsried hat eine Art „Strom-Sharing“ aufgebaut – Herz und Vibert sind Teil der Sonnen-Community und profitieren wie viele andere Mitglieder davon. Der kleine Speicher wird über die Community zu einem Großspeicher und nimmt am Strom-Regelmarkt teil, was den Mitgliedern einige Vorteile bringt, zum Beispiel die Nutzung einer Strom Flatrate von monatlich zehn Euro je Wohneinheit. Hier zeigt sich auch die ideale Kombination mit einem hocheffizienten Passivhaus, da mit der Flatrate „noch Luft bleibt zum Betrieb eines Elektroautos“ (Herz). „Ein in ökologischer, aber auch finanzieller Hinsicht attraktives Modell, das wie auf uns zugeschnitten ist“, freut sich Herz.

Zu einer guten Planung gehört auch, dass energieeffiziente Gebäudehülle und der Einsatz erneuerbarer Energien auf die staatlichen Förderprogramme abgestimmt und die Förderungen nachhaltig gesichert werden – ansonsten kann es vorkommen, dass viel Geld verschenkt wird. Um an die Fördergelder zu kommen muss jedoch erst mal mehr investiert werden, da der heute übliche Baustandard nach EnEV 2016 nicht förderbar ist.  Im Idealfall wie hier, schafft die Förderung sogar finanzielle Freiräume. Von der KfW-Bank erhielten Dieter Herz und Raphaël Vibert für ihr Effizienzhaus 40 Plus einen Kredit von 200.000 Euro zu einem Zinssatz von 0,75 Prozent, von denen ihnen 30.000 Euro wegen des hohen Energiestandards und des Einsatzes erneuerbarer Energien erlassen werden. Zudem gab es aus dem 10.000-Häuser-Programm von der bayerischen Staatsregierung 24.000 Euro als sogenannten Energiebonus. Macht zusammen 54.000 Euro. „Dazu kommen noch 4.000.- Euro Baubegleitungszuschuss der KfW und rund 10.000 Euro Zinsersparnis aufgrund der besonderen KfW-Kreditkonditionen – und natürlich die eingesparten Energiekosten von circa 60.000 Euro auf eine  übliche Finanzierungsdauer von 20 Jahren“, erklärt Herz. Der Mehraufwand zum Passivhaus und der Plustechnik wurde bereits durch die Zuschüsse zu 100 Prozent refinanziert. Angesichts des extrem niedrigen Energieverbrauchs – monatlich 0,35 Euro pro Quadratmeter für Wärme und Strom – müssen er und Vibert keine exorbitanten Preissteigerungen auf diesem Gebiet fürchten. „Das gibt uns für die Zukunft Sicherheit. Das Gesamtpaket passt einfach.“

Dazu gehört auch, dass die Wohnung von Dieter Herz und seiner Frau barrierefrei ist. Beide sind topfit – aber über 60 Jahre. Folglich spielte bei der Planung das Thema Wohnen im Alter eine wichtige Rolle. „Man weiß ja nie, was im Leben so passiert“, meint Dieter Herz. „Ich wünsche mir, dass ich möglich lange in dieser Wohnung leben kann. Sie ist einfach perfekt für mich und meine Frau.“

(Text: Jensen media GmbH, Memmingen)